Zehn Tage nach Pfingsten, 50 Tage nach Ostern finden sich viele Katholikinnen und Katholiken, oft auch reformierte Mitchristen, zum Fronleichnamsgottesdienst im Freien ein. Sie machen sich auf zu einer Prozession mit Gebet und Gesang. Um was es dabei heute geht.

Beatrice Gloggner, Stephan Leimgruber

 

Der Glaube wird am Fronleichnamsfest sichtbar und öffentlich bezeugt. Er verbleibt nicht im Schutzraum eines konfessionellen Gotteshauses, nicht in der Sakristei und nicht im Privatraum der Stube mit einem Fernsehgottesdienst. Er tritt hinaus mitten in die Welt und bekennt sich zu Jesus Christus, dem auferstandenen Herrn. Die Fronleichnamsprozession wird in Luzern bis heute von Salut- und Böllerschüssen vom Hausberg Gütsch aus mit drei historischen Artilleriekanonen lautstark begleitet. Am Vorabend des Festes werden drei Kanonen von Pferden in einer Prozession auf den Gütsch gezogen, und zwar von den sogenannten Herrgottskanonieren, eine Bruderschaft, welche um 1580 gegründet wurde und die sich der Verehrung des Sakraments der Eucharistie und des Fronleichnamsfests verpflichtet weiss.

Das Fest ist nicht vom Himmel gefallen. Es reicht symbolisch bis in die Bibel zurück, in der die Bundeslade in einer Prozession durch Jerusalem getragen wurde. König David tanzte vor ihr, die ein mit Gold verziertes Holzgebilde war und mit Stangen herumgetragen wurde. Dieser Holzkasten enthielt die Gesetzestafeln des Mose, die Tora. Im Hebräerbrief des Neuen Testaments nennt Paulus die Bundeslade den Thron der Gnade, der die Gegenwart Gottes in sich birgt. In ähnlicher Weise trägt die schwangere Maria Jesus, als sie durch das Bergland Judäa  zu ihrer Cousine Elisabeth geht. Sie wird zur Bundeslade und zur Christusträgerin (Christoforus).

Der konkrete Anlass für das Kirchenfest war im Mittelalter lange vor der Reformation gegeben. Juliana von Cornillon aus Lüttich, eine Nonne aus Belgien, regte aufgrund einer Vision Papst Urban IV., Erzdiakon in Lüttich, dazu an, ein solches Fest 1264 einzuführen. Es ist das «Hochfest des Leibes und Blutes Christi». Der Name Fronleichnam kommt etymologisch vom mittelhochdeutschen Wort fron für Herr und vom Wort lichnam, das lebendiger Leib meint: Damit bedeutet Fronleichnam lebendiger Leib des Herrn.

Fronleichnam erinnert an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern.  Er gab ihnen Brot und Wein mit den Worten: «Das ist mein Leib, das ist mein Blut. Tut das zu meinem Gedächtnis», zu seiner Vergegenwärtigung. Wenn wir heute Eucharistie feiern und der Zelebrant die mehrfach überlieferten Worte Jesu spricht, dann wird Christus gegenwärtig in der Gestalt von Brot und Wein.

Fronleichnam ist auch ein Fest der Erstkommunikanten. Die Gemeinde geht mit ihnen und mit Jesus Christus im Zeichen der Monstranz durch die Strassen. In der Prozession wird Christus der Welt gezeigt. Sowohl im Wort Monstranz als auch im Wort Demonstration ist das lateinische Wort monstrare (= zeigen) enthalten. Christgläubige zeigen und bezeugen der Welt, dass sie im Leben letztlich auf Gott vertrauen und dass er immer bei ihnen ist. Sie singen und beten miteinander; sie sind unterwegs mit Jesus Christus im Zeichen der Monstranz.

In italienischen und deutschen Städten werden grosse Kunstwerke mit Blütenblättern kreiert. Diese wunderschönen Blumenteppiche mit christlichen Symbolen erinnern an den Einzug Jesu auf dem Esel in Jerusalem, was heute am Palmsonntag gefeiert wird. Damals legten die Menschen Kleider und Zweige auf den Boden. Die Blumenteppiche schaffen einen heiligen Weg, auf dem Christus in der Gestalt der Hostie mitgetragen wird. Einige Wochen vor Fronleichnam können die Erstkommunikanten an der leibhaftigen Gemeinschaft mit Christus teilnehmen.

Fronleichnam ist ein sehr emotionales Fest, das alle Sinne des Menschen anspricht und zum intergenerationellen Gemeinschaftserlebnis werden kann. Christus, sichtbar in der Monstranz und zugleich tief verborgen, ist die Hoffnung der Christgläubigen schlechthin.