Die Krönungsfeier von Charles III. überraschte in ihrer durchdachten ökumenischen, interchristlichen und interreligiösen Vielfalt. Sie war auch wahrhaftig ein Pfingstzeichen!

Maria Brun 

Britische Krönungsfeier und Pfingsten – passt das zusammen? Damals ein heftiger Sturm, der durchs Haus fegte und alle erschreckte, sodass sie in fremden Sprachen zu reden begannen und für Verwirrung sorgten.

Und der Anlass in der Westminster Abbey? Ein Haus durchströmt von vielfältigster Musik; Texte und Lieder in allen Sprachen; Religionen, weit über den christlichen Rahmen hinaus, unterschiedslos nebeneinander; Delegationen aus der ganzen Welt präsentieren eine Vielfalt an Farbe, Stil, Mimik und Gestik; den Commonwealth weit übersteigend, scheint die ganze Welt einmütig zu feiern, zu beten und sich zu freuen.

König Charles ist sich bewusst, dass er ohne Gottes Beistand seine Aufgabe nicht gelingend ausführen kann. Dies bestätigt auch sein Wahlspruch: «Glaube und Dienst».

Zu Beginn der Krönungsfeier wurde mitgeteilt, dass sich König Charles eine Feier gewünscht habe, die «eine Gemeinschaft von Gemeinschaften» sei. So bemerkte man Vertreter und Vertreterinnen verschiedener christlicher Konfessionen: anglikanisch, orthodox, römisch-katholisch, pfingstlerisch, uniert, freikirchlich. König Charles erklärte dezidiert, dass er nicht nur Oberhaupt und Beschützer der Church of England und aller anglikanischen Kirchen sei, sondern dass alle in Grossbritannien vertretenen Glaubensrichtungen und Religionen respektiert werden sollen. In diesem Kontext waren Vertreter des Judentums, Islam, Hinduismus, Buddhismus und der Sikh offizielle Gäste. Dies bewirkte, dass die Krönungsfeier etliche ökumenische Gesten beinhaltete. 

Die Krönungsfeier, die innerhalb eines Gottesdienstes stattfand, wurde mit Psalm 122 eröffnet, der die Freude ausstrahlt, dass der Mensch mit Zuversicht und Vertrauen den Weg zu Gott unter die Füsse nehmen darf.

Die Krönung des englischen Königs bzw. der englischen Königin ist die einzige Feier, die den ursprünglichen, biblisch verankerten Ritus mit einer Salbung noch beibehalten hat. Alle anderen christlichen Königshäuser haben ihren Ritus reduziert, sodass auch die Insignien nur noch symbolisch anwesend sind.

Paravent

Kern der Krönungsfeier ist die Weihehandlung. Doch zuvor hat König Charles sein Versprechen auf die Heilige Schrift abgelegt, die Gesetze Gottes zu halten, seinem Volk zu dienen und der Kirche von England treu zu sein. Anschliessend erfolgte die Anrufung des Heiligen Geistes, «Veni Creator Spiritus».

Entsprechend dem biblischen Offenbarungszelt (Ex 29,4), welches für das Volk der Israeliten unzugänglich war, wurde der designierte König für die Salbung – der intimste Moment der Krönung – vor den Augen der Allgemeinheit durch einen Paravent abgeschirmt. Dieser bestach durch ein auffallendes Design. Die Rückseite des Paravents ist in Analogie zum biblischen Lebensbaum, der aus der Wurzel Jesse sprosst, gestaltet (Jes 11,1-10). Der blütentragende Baum, dessen Blätter die 56 Staaten des Commonwealth darstellen, ist in König Charles III. vereint, wie die Initialen verdeutlichen, und steht unter dem Leitspruch der englischen Mystikerin Juliana von Norwich (1342–1413): «Alle und alles sollen es gut haben und alles wird gut sein.»

Der Baum ist überhöht in der Gestalt einer göttlichen Taube, den Heiligen Geist symbolisierend, der dem neuen König Weisheit und Einsicht, Rat und Stärke, Erkenntnis und Gottesfurcht sowie den Geist der Gerechtigkeit und des Rechts verleihen soll.

Die Taube ist flankiert von zwei Posaunen blasenden Engeln. Diese können gleichzeitig als Allegorie auf die Landesbezeichnung gelesen werden: England als «Land der Engel».

Salbung

Die Salbung eines Menschen ist ein uraltes Ritual.

Die Bedeutung der mit Olivenöl eingesalbten Athleten in der Antike, um den Gegnern zu entgleiten, wurde besonders im östlichen Christentum in die Symbolik der Taufe aufgenommen: Der oder die Getaufte wird ein Streiter gegen das Böse und jegliches Unheil und eine Kämpferin für das Gute sein. Die Salbung bei der Firmung, aber auch bei der Priesterweihe und dem Krankensakrament hat wiederum den Charakter der Stärkung, der Heilung und im Besondern der Heiligung.

Was hier interessiert, ist die Salbung eines Königs. Die Tradition ist in der altorientalischen Welt bezeugt. Es wurden Priester, Könige und Propheten gesalbt.

Der englische Ritus des «Liber Regalis» aus dem Jahr 1382 ist etwas angepasst; der designierte König wird an Händen, Brust und Kopf (Stirn) gesalbt. Diese drei Stellen bezeichnen die drei wichtigsten Zentren, mit denen ein König oder eine Königin ihr Amt ausführen soll: intellektuelle, emotionale und praktische Intelligenz. Sie bringt zum Ausdruck, dass sich der oder die Gesalbte im Besonderen mit Gott verbindet und sich unter seine Führung stellt.

Gewänder

König Charles wurde viermal umgezogen.

Für die Salbung, entsprechend der Taufe, stand Charles erstaunlich «nackt» da: nur mit dunkler Hose und einfachem weissem Hemd bekleidet. Kein Schmuck, keine Prunkgewänder, keine Insignien. Nur der pure Mensch. So wie er eines Tages vor Gott stehen wird. Charles. Kein König. Ohne Ehren, ohne Ämter. Nur der Mensch Charles und sein Leben.

Nach der Salbung wurde er, einem Täufling gleich und zum Zeichen der Demut, mit dem «Colobium Sindonis», eine ärmellose weisse Albe aus Leinen, bekleidet. Darüber kam die goldene, aus Seide und Goldbrokat angefertigte «Supertunica» mit Gürtel. Dieser wiederum mit symbolischer Bedeutung: «Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften, Treue der Gürtel um seinen Leib» (Jes 11,5). Dann werden die Manipel gebracht, ein Symbol der Weisheit und Aufrichtigkeit. Früher waren sie Bestandteil der Rüstung, um die Handgelenke zu stärken. Heute gehören sie weiterhin zu den orthodoxen Priestergewändern.

Besonders eindrucksvoll war der Moment, als William, der Prinz of Wales, nach seinem Treueeid dem König, seinem Vater, die Stola um den Hals legte, bevor dieser mit dem Königsmantel umkleidet wurde, der dem Pallium entspricht, wie es zum Beispiel der Papst trägt. Das Pallium kommt dem ärmellosen Mantel oder Umhang eines Hirten gleich, der es ihm erlaubt, seinen Schafen unter seinem Mantel Schutz zu gewähren. In der katholischen Kirche wird das Pallium nur noch symbolisch verstanden – eine breite weisse Stola aus Schafwolle mit sechs schwarzen Kreuzen.

Alle diese Gewänder betonen das königliche Priestertum, welches seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1964 allen Gläubigen zugesprochen ist (Lumen Gentium 10). Man konnte beobachten, wie das Gewicht der Gewänder zunahm: Von diesem Gewicht kann die Bürde des Amtes abgelesen werden.