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Wenn wir an den Religionsunterricht in unseren Kindertagen zurückdenken, so wird eine der ersten Geschichten, an die wir uns erinnern, diejenige vom Palmsonntag sein. Das hat nämlich beeindruckt: Jesus reitet auf einem Esel. Dieses Bild macht Jesus sympathisch. Er wirkt als volksnahe Person.

Maria Brun

 

Damals wussten die meisten Kinder, was ein Esel ist, obwohl es bei uns nicht allzu viele gab. Trotzdem ist es für uns ungewöhnlich, im Gegensatz zu südlichen Ländern, dass man auf einem Esel reitet. Das den Kindern vertraute Reittier ist ein Pony, später dann das Pferd. Da taucht schon die erste Frage auf: Warum reitet Jesus auf einem Esel und nicht auf einem Pferd? Weiter beeindruckt Kinder an dieser Geschichte, dass die Leute Büschel von den Sträuchern abrissen, um Jesus zuzuwinken. Aber das darf man doch nicht machen; so wurde es einem von den Eltern beigebracht. Oder seine Kleider auf die Strasse schmeissen? Das hätte ein böses Donnerwetter gegeben.

Bei aller Sympathie für Jesus waren da doch einige ungereimte Sachen. Trotzdem prägte sich das Bild von Jesus auf dem Esel einem jeden Kind ein und blieb unvergessen.

Palmsonntag – ein Volksfest?

Ein Blick in die Bibel zeigt, dass dieses Ereignis, welches die Christen am Palmsonntag feiern, sehr beeindruckend und von grosser Bedeutung gewesen zu sein scheint. Denn alle vier Evangelisten berichten davon. Sie differenzieren nur in wenigen Details.

Bei der Lektüre des Textes kann man sich fragen, woher auf einmal so viele Leute auf den Strassen Jerusalems waren, die Jesus zujubelten. Johannes (12,12 ff.) stellt diesen Bericht in einen grösseren Kontext: Es war fünf Tage vor dem Paschafest. Pascha, auch Pessach genannt, ist eines der drei jüdischen Wallfahrtsfeste und dauert eine Woche, vom 15. bis zum 21. Nissan. Wer konnte, ging nach Jerusalem hinauf, um dort im Tempel das Fest zu begehen. So berichtet Johannes: Da «hörte die Volksmenge, die sich zum Fest eingefunden hatte, Jesus komme nach Jerusalem». Also eilten sie hinauf, um ihm zu begegnen, ihn zumindest einmal zu sehen, nachdem sie schon so vieles über ihn gehört hatten.

Wer schon einmal in Jerusalem war und sich an die Altstadt erinnert, weiss, dass da stets ein Gewirr von Leuten unterschiedlichster Nationalitäten ist. Die Gassen sind eng. Meistens sind irgendwelche Marketender da, die die Gelegenheit nutzen und ihre Ware anpreisen. Und genau hierdurch ritt Jesus auf dem Esel. Die Leute drängten sich zur Seite, um ihm einen Weg zu bahnen.

Der Esel provoziert

Auch Jesus wollte, wie alle Juden, Pascha im einzigen Tempel, den es nur in Jerusalem gab, feiern und des wunderbaren Auszugs aus Ägypten unter Moses Anführung gedenken, welcher die versklavten Vorfahren in die Freiheit geleitet hatte. Dabei war sich Jesus durchaus der angespannten Lage bewusst, die im Lande herrschte: der Druck seitens der römischen Herrschaft; die Rivalität zwischen König Herodes und Pontius Pilatus, dem römischen Statthalter; die Feindschaft der Pharisäer seiner eigenen Person gegenüber. Wäre Jesus hoch zu Ross gekommen, hätte er noch mehr provoziert, abgesehen davon, dass man zur damaligen Zeit die Pferde eher für militärische Angelegenheiten benutzte. Nur reiche, römerfreundliche Juden ritten auf einem Pferd. Die Verdrängung des Esels in die untere Bevölkerungsschicht verlieh ihm den Aspekt eines Symbols des stummen Dulders und der Friedfertigkeit. Auf einem Esel zu reiten sieht gemütlich aus. Esel galoppieren nicht; sie gehen gemächlich, aber stetig voran. Vor allem im unwegsamen Gebirge ist auf sie Verlass. Sie können zwar störrisch sein, aber man darf nicht vergessen, dass Esel Sachen wahrzunehmen vermögen, zum Beispiel Gefahren im Voraus zu spüren, die dem Menschen entgehen.

Und – was perfekt zu Jesus passt – mit dem Ritt auf dem Esel solidarisiert er sich nicht nur mit der niedrigeren Bevölkerung, sondern – was noch viel mehr Gewicht hat – mit den Frauen! Ein Esel war auch das Reittier für Frauen. Bekanntlich engagierte sich Jesus dafür, dass die Frauen in der Gesellschaft mehr Anerkennung bekamen. Er selbst sprach mit unbekannten Frauen, verkündete auch den Frauen die Heilsbotschaft und hatte Jüngerinnen, die ihm nachfolgten und ihn unterstützten.

Jesu Einzug auf einem Esel in der reichen Davidstadt Jerusalem konnte nicht anders als provozieren: Reichtum gegen Armut, Herrschende gegen Unterdrückte, Männer gegen Frauen und das Wichtigste: Heilsbotschaft für alle. Das ging den Pharisäern wider den Strich.

Jesus, ein Friedensbringer?

Bei der Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem werden mehrere Friedenssymbole erwähnt: Unter den Zweigen, die die Menschen von den Büschen rissen, waren bestimmt Palmwedel, vielleicht auch Olivenzweige, mit denen man Jesus begrüsst hat. Palme und Olivenbaum sind von alters her Friedenszeichen. Die geschmeidigen Palmwedel wurden sowohl im religiösen Kult als auch bei feierlichen Ehrbezeugungen, wie hier bei Jesus, eingesetzt. Wie kam es dazu?

Kurze Zeit vorher hatte Jesus mehrere Wunder gewirkt. Er heilte einen von Geburt an blinden Mann und schenkte ihm das Augenlicht. Zum Erstaunen aller erweckte er seinen Freund Lazarus von den Toten. Ebenso wie einige dies nicht glauben konnten und nicht wahrhaben wollten, waren andere von Jesus begeistert, sodass sie ihn zum König ausrufen wollten. Alle weiteren Details passen in diesen Kontext: Jesus reitet auf dem Fohlen einer Eselin, auf dem noch nie jemand gesessen hat. Kleider werden anstelle eines Sattels auf den Rücken des Reittieres gelegt. Desgleichen werden Kleider auf dem Boden ausgebreitet, damit Jesus nicht durch den Strassenstaub reiten musste. Er wird nach alttestamentlichem Brauch mit Hosanna-Rufen begrüsst, indem gesungen wurde: «Hosanna. Gesegnet sei er, der da kommt im Namen des Herrn, der König Israels!»

Und was lehrt uns diese Geschichte über den Palmsonntag?

Palmsonntag als Wendepunkt

Die glorreiche Begeisterung, mit der Jesus begrüsst wurde, geht mit allen Zeichen einher, ihn beim Einzug in Jerusalem als Friedensfürst und König zu feiern. Palmsonntag ist das Tor zur Karwoche. Freude und Begeisterung wandeln sich kurze Zeit später ins Gegenteil. Anstelle der Hosanna-Rufe wird «Kreuzige ihn!» geschrien. Die Hoffnung schwindet und überlässt der Angst das Feld.

Dieser Jesus hat die Menschen der damaligen Welt gespalten und tut dies heute noch.

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