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Am 30. September 2023 kreiert Papst Franziskus 21 neue Kardinäle. Unter ihnen ist auch der 76-jährige Schweizer Erzbischof Emil Paul Tscherrig, der einzige Europäer. Welche Laufbahn der Walliser aus einer Bergbauernfamilie hinter sich hat und für was er steht.

Stephan Leimgruber

 

Im Gottesdienst begegnen wir einem grossen starken Mann, einem geistvollen Prediger – einfach, offen, frei mit fliessend italienischer Sprache. Emil Paul wirkt lebendig, überlegt und problembewusst. Er bringt breite Seelsorgeerfahrung und Kenntnisse aus Skandinavien, Afrika, Lateinamerika und vielen Inseln mit. Als päpstlicher Nuntius ist er in 45 Jahren weit herumgekommen. Theologisch dem Zweiten Vatikanum verpflichtet, hat er seine Dissertation ausdrücklich zum Thema «Das Wesen des Ökumenischen Konzils» angefertigt (1978). Daraus ergab sich eine Nähe zu den Grundpositionen des Aggiornamento-Konzils. Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen sollen auch für die Kirche Anknüpfungspunkte für die Seelsorge sein. Den Priestern rät er, ihr Handeln als mitbrüderlichen Dienst an den Menschen, besonders den Armen, zu verstehen, nicht als klerikales Gebaren von oben herab.

Als ältestes von acht Kindern einer Bauernfamilie in Unterems wurde er am 3. Februar 1947 geboren und verlor schon früh seinen Vater. Das Gymnasium besuchte er in Brig und schloss es mit der klassischen Matura ab. Ohne Zwischenjahr trat er ins Priesterseminar Sitten ein und studierte an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg Philosophie und Theologie. Am 11. April 1974 weihte ihn Bischof Adam zum Diözesanpriester. In einem Promotionsstudium im Fach Kirchenrecht doktorierte er 1974–1978 an der Gregoriana-Universität, Rom. Dann absolvierte er die Päpstliche Akademie für den Diplomatischen Dienst. Darauf folgten erste Stellen in den Nuntiaturen von Uganda (1978–1981), Südkorea (1981–1984) und Bangladesch (1984–1985).

Johannes Paul II. beauftragte den 1996 zum Bischof geweihten Tscherrig mit der Planung und Mitorganisation von 40 Apostolischen Reisen. Dadurch sollten die Ortskirchen gestärkt und der Kontakt mit dem Bischof von Rom aufrechterhalten werden. Sein Wahlspruch lautet: «Christus, meine Hoffnung». Im neuen Jahrtausend wurde Erzbischof Paul Tscherrig mit anspruchsvollen Aufgaben betraut. Seine optimistische Grundstimmung half ihm, auch in konfliktiven Situationen den Mut nicht zu verlieren und Vermittlungsdiplomatie des Heiligen Stuhls zu leisten – etwa in Venezuela, als eine grosse Auseinandersetzung zwischen der Regierung und der Opposition (2016) eine Friedensmission nötig machte. Als Nuntius von Argentinien lernte er den damaligen Bischof Jorge Mario Bergoglio, den heutigen Papst, kennen. 1996 hatte er als Nuntius von Burundi mit Idi Amin zu tun, und 2000 kam er nach Trinidad und Jamaika, auf die Bahamas und die Antillen, 2004 wieder nach Südkorea. Papst Benedikt XVI. ernannte ihn zum Apostolischen Nuntius der skandinavischen Länder (2008), von Argentinien (2012) und Papst Franziskus sah ihn für Venezuela (2016) vor. 2017 wurde er als erster Nichtitaliener Nuntius von Italien und San Marino. Alle diese Aufgaben waren eine enorme Herausforderung für Bischof Tscherrig. Seine Flexibilität und geistige Spannkraft wurden erprobt. Mit Ausnahme der Sommerferien in seiner geliebten Walliser Heimat war er ständig in der Fremde unterwegs.

Im Nachhinein wird man bedauern, dass sein Name anlässlich der Bischofswahl im Bistum Chur 2007 zwar auf der Dreierliste der Favoriten Roms stand, doch weil Tscherrig den Churer Domherren nicht bekannt war, wählten sie Vitus Huonder zu ihrem Oberhirten. Die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch, dass Kardinal Emil Paul Tscherrig zusammen mit Kurt Kardinal Koch bei der nächsten Papstwahl dabei sein wird und aktiv mitwirken darf. Die Verleihung des Kardinalranges dürfte primär als Anerkennung seiner grossen Verdienste in der päpstlichen Diplomatie gedeutet werden.

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