Rund 60 Prozent der Weltmeere fallen in die Kategorie «Hochsee», welche riesige Gebiete, die ausserhalb der Gerichtsbarkeit der einzelnen Staaten liegen, umfasst – also ausserhalb der 200-Seemeilen-Zone (370 Kilometer). Davon ist aber nur ein Prozent geschützt. Ein neues Abkommen ändert dies endlich.

Flavia Müller

 

Die Weltmeere sind essenziell fürs Überleben, für die Sauerstoffproduktion und die Klimaregulation. Zudem sind sie ein grosser Hort biologischer Vielfalt. Die Hochsee gehört rechtlich niemandem, nutzen dürfen diese aber alle Staaten – für die Schifffahrt, die Fischerei, wissenschaftliche Forschung, für das Verlegen von Kabeln und Leitungen oder das Errichten von künstlichen Inseln. Seit bald 20 Jahren setzen sich deshalb diverse Organisationen dafür ein, die Hochsee unter Schutz stellen zu lassen. Am 5. März 2023 haben sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen nach intensiven und langwierigen Diskussionen auf ein internationales Abkommen zum Schutz der Hohen See geeinigt. Ein Durchbruch für die Natur. Bis 2030 sollen mindestens 30 Prozent der Weltmeere als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Zudem wurde ein Verfahren festgelegt, um wirtschaftliche Projekte, Expeditionen und andere Aktivitäten in den Meeren auf ihre Umweltverträglichkeit hin zu prüfen. «Umweltverträglichkeitsprüfungen sind einer der wirksamsten Hebel im Meeresschutz. Auch über sie wurde intensiv verhandelt. Denn effektiver Meeresschutz braucht ein striktes Management grenzüberschreitender Verschmutzung mit global verbindlichen Regeln, um die Ausbeutung der Ozeane zu verhindern», so Johannes Müller, Ocean Policy-Experte.

Kontrovers diskutiert wurde die Aufteilung möglicher Gewinne und Teilhabe aus der künftigen Erschliessung von Meeresressourcen. Dies betrifft die Nutzung mineralischer Rohstoffe vom Meeresboden, wie Manganknollen zum Beispiel für die Herstellung von Lithium-Batterien oder genetische Ressourcen wie Mikroorganismen für die Pharmaindustrie, aber auch für die Medizin potenziell ertragreiche Forschungserkenntnisse durch den Fund bislang unbekannter Lebewesen und deren Erbgut. Da die reicheren Länder über mehr Ressourcen für Forschung und andere Aktivitäten verfügen, erwarten diese auch die meisten Erträge. Das Abkommen sieht deshalb einen Mechanismus für Ausgleichszahlungen an ärmere Länder vor, mit jährlichen Pauschalzahlungen seitens der Industrieländer. Die förmliche Annahme des BBNJ-Abkommens (Biodiversität jenseits nationaler Gesetzgebung) schafften die Regierungsdelegationen nach der 36-Stunden-Marathonsitzung nicht mehr. Die Konferenzvorsitzende Rena Lee stellte aber klar, dass der Text des Abkommens nicht mehr wesentlich geändert werden könne. «Es wird keine Wiederaufnahme oder inhaltliche Diskussionen mehr geben.» Das Abkommen werde formell beschlossen, sobald es von Juristen geprüft und in die sechs Amtssprachen der Vereinten Nationen übersetzt worden sei, kündigte Lee an. Das Meer kann also endlich etwas aufatmen.