In einem knappen Jahr beginnen die Olympischen Spielen in Paris. Das stellt die grüne Bürgermeisterin von Paris und ehemalige Präsidentschaftskandidatin Anne Hidalgo vor grosse Herausforderungen, die sie ab und zu arg strapazieren.
Carl Meissen
«Wenn man eine linke Frau ist, noch dazu eine Ökologin, muss man eine Menge Lügen und Unwahrheiten ertragen. Ich habe mich daran gewöhnt, aber es ist ein Zeichen für ein grosses Unbehagen in unseren Demokratien.» In einem Interview mit der italienischen Tageszeitung La Repubblica gibt Anne Hidalgo, seit neun Jahren Bürgermeisterin von Paris, zu erkennen, dass auch sie ein grosses Unbehagen verspürt. Sie kämpfte für mehr Fahrradwege in der Hauptstadt, für mehr Bäume, weniger Motorverkehr und ein Verbot von Dieselautos. Das polarisiert und schafft ein Heer von Gegnern in unterschiedlichsten Lagern. Auch damit lässt sich ihre schwere Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen von 2022 erklären. Jetzt steht sie wieder vor einer enormen Herausforderung: Am 26. Juli 2024 beginnen in Paris die Olympischen Sommerspiele. Das Olympische Dorf, das Olympische Wassersportzentrum und die Arena an der Porte de la Chapelle sind bereits fertiggestellt. Die Eröffnungsfeier der Olympiade wird teilweise kostenlos sein und 500 000 Zuschauer anziehen. Anne Hidalgo betont, dass bei diesen Spielen der sozialen Dimension eine zentrale Rolle zukomme. «Es gibt Werte zu verteidigen. Für Paris wird es eine Gelegenheit sein, sich als Stadt der Freiheit zu zeigen, in der sich die Menschen treffen und mischen. Die Tatsache, dass ich, die ich die französische und spanische Staatsbürgerschaft besitze, Bürgermeisterin der Hauptstadt bin, bedeutet etwas in einer Zeit, in der Populisten sich das Recht anmassen, zu sagen, wer hier bleiben dürfe und wer nicht. Wir müssen auf unserem universellen humanistischen Denken beharren.»
In diesem Sommer werden 15 Millionen Touristen in Paris erwartet, was die Hotelpreise weiter in die Höhe treibt. Für die Sommerspiele 2024 wird erneut mit sehr hohen Preisen gerechnet; dadurch wird die Umsetzung der «sozialen Dimension» der Spiele stark beschnitten. Ein weiterer wunder Punkt ist der Verkehr. Die Pariser haben bereits täglich Probleme mit überfüllten Metros. Die Metrolinie 14 soll im nächsten Sommer Paris mit dem Flughafen Orly verbinden und auf den Ringstrassen will man eine Spur für Fahrgemeinschaften, öffentliche Verkehrsmittel und Taxis reservieren, die sogenannte olympische Spur. Dieser Plan sorgt bei Bürgerlichen für grosse Kritik, weil sie darin eine weitere Freiheitseinschränkung im Verkehr sehen. Die Bürgermeisterin wird sich bis Sommer 2024 noch ein dickes Fell zulegen müssen.