Der Theologe Bernardin Schellenberger, der einige Jahre Trappistenmönch war und später Seelsorger und Schriftsteller wurde, erzählte einmal, im Kreis von Freunden habe sich ein Gespräch darüber ergeben, welcher Tag des Kirchenjahres jedem Einzelnen der wichtigste sei.

Christian Cebulj

 

Dem einen war Weihnachten mit seiner Wärme, seinen Lichtern und seiner Botschaft von der Menschenfreundlichkeit und Nähe Gottes das liebste Fest. Ein anderer fand seine christliche Grunderfahrung am besten im Ostermontag mit seinem Evangelium vom Gang nach Emmaus zum Ausdruck gebracht. Ein Dritter sagte, er finde sich und seine Situation am besten wieder in den neun Tagen zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten. In dieser Zeit habe der Auferstandene die Seinen verlassen; so fühle er sich manchmal auch, aber dann hätten ja alle im Gebet auf den versprochenen Heiligen Geist gewartet, was ihn wiederum tröste.

Bernardin Schellenberger sagte in diesem Gespräch, «sein» wichtigster Tag im Kirchenjahr sei seit etlichen Jahren der Karsamstag. An diesem Tag machen wir nämlich die eigenartige Erfahrung, dass wir ihn immer irgendwie überspringen. Wir feiern zwar Karfreitag und Ostern, Tod und Auferstehung, aber das, was zwischen diesen beiden Tagen ist, nämlich der Karsamstag, das übersehen wir gerne. Und Schellenberger erzählt von einem Brauch der Trappistenmönche: Diese werden am Ende ihres Lebens nicht in einem Sarg beerdigt, sondern nur auf ein Holzbrett gelegt und in die Grube hinabgelassen. Zur sichtbaren Erinnerung daran, dass der Mensch sterblich ist und sich das jedes Jahr am Karfreitag vor Augen führen soll, bauen die Trappisten in ihrer Klosterkirche eine Bahre mit einem Holzbrett auf, so wie es für Beerdigungen verwendet wird. Am Karsamstag, also dem Tag im Kirchenjahr, der das Ausgespanntsein zwischen Tod und Leben symbolisiert, legt sich jeder der Mönche eine halbe Stunde zum Gebet auf dieses Totenbrett, um sich der eigenen Sterblichkeit bewusst zu werden.

So extrem uns diese Frömmigkeitsübung der Trappisten auch vorkommen mag, mich hat sie beeindruckt. Denn Schellenberger fährt fort, dass der Karsamstag auch der Tag der ausgeweinten Augen sei. Es ist der Tag nach der Erfahrung des Todes, ein Tag des Nullpunkts, aber auch ein Tag, an dem die Hoffnung der Osternacht schon durchscheint. Er entspricht einem Übergang, den auch viele Trauernde so erleben. Aus der Empfindungslosigkeit und Wortlosigkeit werden Worte, Farben, Hoffnung und vielleicht auch eine Dankbarkeit für alles Erlebte. Vielleicht überlegen Sie sich dieses Jahr am Karsamstag einmal in besonderer Weise: Welches ist eigentlich für mich der wichtigste Tag im Kirchenjahr? Und egal, wie Sie sich entscheiden: Ich wünsche Ihnen ein frohes und gesegnetes Osterfest!