Die Kirchenmusik ist in Zeiten der Pandemie einer starken Prüfung unterworfen worden. Einige Kirchenchöre haben sich aufgelöst, andere sind daran, sich neu zu organisieren. Marcel Keckeis, verantwortlicher Kirchenmusiker der katholischen Gemeinde von Littau, erklärt im Interview, wie sich dabei auch neue Chancen eröffnet haben. 

Stephan Leimgruber 

 

Marcel Keckeis, Sie leiten die Kirchenmusik von Littau und ab 2023 auch von St. Karl Luzern. Was gehört da zu den täglichen Aufgaben eines Kirchenmusikers? 

Ich bin verantwortlich für die Chorproben und die daraus resultierenden Auftritte, für die Organistendienste, für die musikalische Jahresplanung, die Liedpläne und die musikalische Gesamtorganisation. Damit dies alles reibungslos klappt, ist Transparenz sehr wichtig. 

 

Wie haben Sie die Zeit des Lockdowns erfahren? 

Einerseits mit vielen Einbussen, andererseits aber auch als Zeit für mich selber. Ich habe sehr viel Neues in die Wege geleitet, habe viel mehr Kreativität ausüben können als vorher.  

 

Warum haben Sie den Weg in die Kirchenmusik gewählt? 

Ich glaube, dass es hier eher um Haltung und Einstellung geht als um vielfältige musikalische Programme. Es existiert nicht nur das, was seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten Schwarz auf Weiss in Noten zu finden ist. Vielmehr sind heutige Pfarreien und Pastoralräume von vielen unterschiedlichen Kulturen umgeben. Das muss berücksichtigt werden. Ich bin offen für unterschiedliche Stile und Epochen der Musik, für Tradition und Moderne. Ich verschmelze beides zu einem «neuen» Ganzen.  

 

Welche neuen Schwerpunkte möchten Sie setzen? 

Wir arbeiten mit Grosschören, mit offenen Projekten und mit kleinen Gesangsgruppen. Stilistisch decken wir ein breites musikalisches Spektrum ab. Solange dies subtil und den jeweiligen Feiern angepasst umgesetzt wird, entsteht ein musikalischer Reichtum, an dem alle teilhaben. Dies jedoch setzt Wissen, Können und Erfahrung voraus. Ein zentrales Element hierbei ist die Elektronik.  

 

Welche Komponisten kommen jetzt vermehrt zum Zuge? 

Ich schaue darauf, die ganze Bandbreite abzudecken, von der Gregorianik über Klassik bis hin zu Jazz und Filmmusik. Ich sehe mich als Allrounder, als Teamplayer – ganz nach dem Motto: mit Menschen und für Menschen. Da findet alles seinen Platz. 

  

Haben Sie bereits erste Rückmeldungen? 

Diese finden mehrmals wöchentlich statt. Kirchenmusik ist für mich persönlich Stimmung und Atmosphäre. Worte, Gedanken, Bilder und Stimmungen fange ich auf und leiste meinen Beitrag so, dass die Gemeinde mithilfe der Kirchenmusik besser in eine religiöse Stimmung eintauchen kann. Die Rückmeldungen sind positiv, da mithilfe der Musik Emotionen angesprochen werden. Gewisse Instrumente sind in der Kirche rasch zu laut. Rückmeldungen dazu kamen prompt.  

 

Wie sah Ihre Ausbildung aus? 

Ich hatte immer das Ziel, Musik von möglichst vielen Seiten her zu betrachten. So gehören Dirigieren, Arrangieren, Komponieren, Interpretieren, Recherchieren und Produzieren zu meiner täglichen Arbeit. Ich habe Jazz- und Klassikpiano studiert, dazu Komposition und Filmmusik. Ferner gehören Tontechnik, Computermusik und Theorie dazu. Anfang 2023 kommt noch moderne Kirchenmusik hinzu.  

 

Wo finden Sie Inspirationen? 

Als musikalischer Allrounder verfolge ich intensiv die Entwicklung neuer Musiksoftware. Wenn mir etwas gefällt, teste ich dies aus, kaufe es und integriere es in meine Arbeit. Daraus entstehen viele neue Ideen, die unseren Pfarreien zugutekommen. Ich mache mir Gedanken, wie ich musikalische Ausschnitte aus Sinfonien und Filmmusik, aus Rock und Pop in die Kirchenräume integrieren kann, mit neuen Chorsätzen und dazugehörigem neu arrangiertem Text. Das Internet ist eine grossartige Sache. Es ist eine Fundgrube.  

 

Wie wird sich die Kirchenmusik in Zukunft nach Ihrer Meinung entwickeln? 

Einerseits bleibt ganz vieles so, wie es ist. An Musikhochschulen lerne ich das, was es seit Jahrhunderten gibt. Es wird Tradition gelehrt und gelernt. Man stützt sich auf Vorlagen, welche schon lange existieren. Das ist gut so und wird es immer brauchen. Aber nicht nur, denn andererseits bieten sich auch im Studium der Kirchenmusik neue Möglichkeiten an. Tatsächlich kann man heutzutage moderne Kirchenmusik studieren.  

 

Ist da der Unterschied gross zum traditionellen Studium? 

 Es braucht dazu die richtigen Dozentinnen und Dozenten und passende Voraussetzungen. Es geht nicht darum, Kirchenmusik zu verändern. Das ist meiner Meinung nach nicht nötig. Vielmehr kann sie andere Farben und Formen annehmen. Jede Art von Musik in der Kirche, sei das Orgelmusik oder Gospel, Sologesang oder Blockflöte, verdient eine passende Herangehensweise und Umsetzung. 

 

Und wie sieht die konkret aus? 

Als Kirchenmusiker bin ich Dienstleister. Eine meiner Aufgaben ist es, der Gemeinde, Gross und Klein, gerecht zu werden. Mit dem Verschmelzen von Tradition und Moderne, von Alt und Neu, von Live und Elektronik, von Analog und Digital entwickelt sich die Kirchenmusik automatisch. Sie passt sich der heutigen Zeit und der heutigen kulturellen Vielfalt an. Es liegt an den Musikhochschulen, diese Vielfalt zu unterrichten – ohne Schubladen und einteilende Wertungen, welche oft auf Vorurteilen basieren.