Beim Bau eines neuen Flughafens auf der griechischen Insel Kreta wurden die Fundamente eines geheimnisvollen Palasts entdeckt, der an den Labyrinth-Mythos erinnert.
Anton Ladner
Das entdeckte kreisförmige Monument geht vermutlich auf die minoische Zivilisation zurück. Es handelt sich um die Ruinen eines Gebäudes mit kreisrunden Mauern und verschlungenen Räumen, das möglicherweise für religiöse Zwecke genutzt wurde, 4000 Jahre alt ist und daher nach Ansicht von Wissenschaftlern an die Legende des Minotaurus erinnert. Sie handelt davon, wie König Minos von Kreta Gott Poseidon um einen Stier bat, den er opfern wollte, um seine Herrschaft zu bestätigen. Poseidon schickte einen prächtigen weissen Stier aus dem Meer. Doch anstatt diesen zu opfern, behielt Minos ihn. Zur Strafe liess Poseidon Minos‘ Frau Pasiphaë sich in den Stier verlieben. Aus dieser Liebe entstand Minotaurus, ein furchterregendes, halb menschliches, halb stierähnliches Wesen. Um das schreckliche Monster zu bändigen, liess König Minos den Minotaurus in einem Labyrinth einsperren, das von Daedalus entworfen und gebaut wurde. Das Labyrinth war so kompliziert, dass niemand, der einmal hineingegangen war, jemals wieder herausfand. Die Legende ist ein komplexes Geflecht von Mut, Liebe, List und Tragödie, das die menschlichen Gefühle und Schwächen in mythologische Gestalten und Taten kleidet.
Die entdeckte Ruine befindet sich auf dem Papoura-Hügel nordwestlich der Stadt Kastelli, wo ein neuer internationaler Flughafen gebaut wird. Als ein Flughafenradar montiert wurde, stiessen die Arbeiter auf die kreisrunden Fundamente mit einem Durchmesser von 48 Metern und einer Fläche von etwa 1800 Quadratmetern.
Die minoische Zivilisation entstand auf der Insel Kreta ca. 2700 v. Chr. bis 1400 v. Chr. Das Bauwerk ist Teil einer wichtigen Periode auf Kreta, in der innerhalb weniger Jahrzehnte imposante Paläste wie Knossos und Phaestos entstanden. Ob Labyrinth des Minotaurus oder nicht, die Funktion der gefundenen Stätte muss noch geklärt werden: Es könnte ein Ort zum Sammeln und Lagern von Getreideprodukten, Wein und Öl gewesen sein. Oder ein Raum für die Verarbeitung von Fellen und Wolle. Sehr wahrscheinlich war es ein Ort mit rituellem Charakter. Tierknochen, die neben anderen Keramikteilen gefunden wurden, deuten darauf hin, dass das Gebäude für Feste mit Speisen, Wein und anderen Opfergaben genutzt wurde.
Während minoische Paläste wie der in Knossos auf quadratischen oder rechteckigen Grundrissen angelegt waren, ist das entdeckte Bauwerk kreisförmig. Diese Form ist am häufigsten in minoischen Gräbern zu finden. Ahnenkult und Rituale bei Grabhügeln waren im Griechenland der Bronzezeit weit verbreitet.