Die Mikrobiologen Joel Rüthi und Beat Frey von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) wollten wissen, ob es im alpinen Permafrost Bakterien und Pilze gibt, die Kunststoffe abbauen können. Das Resultat ist nicht nur für die Umwelt interessant, sondern auch für die Recyclingindustrie.

Flavia Müller

Für die Studie wurde Plastik in Bodenproben vergraben, die aus 3000 Metern Höhe im Engadin stammten: zwei biologisch abbaubare Sorten, wie sie für Kompostsäcke benützt werden, und ein Stück Polyethylen (PE), aus dem die gewöhnlichen schwarzen Abfallsäcke bestehen. Nach fünf Monaten bei 15 Grad Celsius wiesen die beiden abbaubaren Folien kleine Löcher und einen Bewuchs (Biofilm) aus Bakterien und Pilzfäden auf. Das PE dagegen war komplett unverändert. Zunächst eine weitere Bestätigung, dass Plastik, egal in welcher Form, nichts in der Umwelt zu suchen hat. Die Forscher gingen dem Bewuchs auf dem kompostierbaren Plastik nach und entdeckten Millionen von Genen für Enzyme. Daraus lässt sich schliessen, dass sich im Permafrost Mikroorganismen angesiedelt haben, die chemische Substanzen, wie sie in Plastik vorkommen, abbauen. Auch jene Bakterien, die Luftstickstoff binden und deshalb für gesunde Böden wichtig sind, gediehen gut. Sie nutzten offenbar das Plastik als zusätzliche Energie- und Kohlenstoff-Quelle; insbesondere Letzterer ist in alpinen Böden ansonsten rar.
Zugleich wurden viele neue DNA-Sequenzen entdeckt, aus denen man Plastik abbauende Enzyme gewinnen könnte – die im Gegensatz zu den meisten bisher bekannten auch bei «normaler» Umgebungstemperatur, ohne zusätzliche Wärme, optimal funktionieren. Dadurch könnte der industrielle Plastikabbau zukünftig energiesparender durchgeführt werden. Denn das Ziel ist klar: Plastik wieder in seine Bausteine zu zerlegen und aus diesen neue Kunststoffe herzustellen –, ohne dass dazu frisches Erdöl nötig ist. Konkrete Versuche, diese Enzyme nutzbar zu machen, gibt es bereits in Frankreich. Die Firma Carbios möchte bis 2025 ein funktionstaugliches PET-Recycling-System zur Marktreife bringen. Ein wichtiger Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft. Die Forscher setzen ihre Forschungen nun in arktischen Böden fort, auch hier könnten die Resultate bahnbrechend sein.