Die Osternacht ist ein Höhepunkt der Osterfeierlichkeiten und feiert die Auferstehung Jesu Christi. Während der Feier wird die Osterkerze in die Kirche getragen, um das Licht Christi zu symbolisieren, das die Dunkelheit überwindet.

Stephan Leimgruber

 

Während die Musliminnen und Muslime vom 22. März bis zum 21. April 2023 Ramadan feiern und sich tagsüber ein totales Fasten auferlegen, bereiten sich Christinnen und Christen auf ihr zentrales Osterfest des Glaubens vor – ebenfalls mit Gebet, Fasten und guten Werken. Für katholische und zunehmend auch für reformierte, insbesondere lutherische Christinnen und Christen ist die Nacht vom Karsamstag auf den Ostersonntag die wichtigste Nacht im Kirchenjahr. Es ist die Nacht des Wachens und Betens zum Gedenken an die Auferstehung Jesu Christi. Die Nacht der Nächte ist wichtiger als das Weihnachtfest, welches den feierlichen Beginn des Christusdramas inszeniert. Die reichhaltige Liturgie der Osternacht, die aus der Nähe eines jüdischen Paschamahles entstanden ist, fokussiert den ganzen Glauben wie in einem Brennglas. Jesus Christus, Alpha und Omega, der Inbegriff des Lebens für Christgläubige, hat Leiden, Tod und alles Böse besiegt. Ostern heisst neues verwandeltes Leben. Auferstehung meint den hoffnungsvollen Durchgang vom Sterben und Tod in das neue Leben in anderen Dimensionen.

Entstanden ist die Liturgie der Osternacht aus der «Mutter aller Vigilien», also der bedeutendsten Wache am Vorabend des Festtags. Mit Lesungen, Gesang, Zeichen und Ritualen harren die Gläubigen der Auferstehung Christi entgegen. Daraus ist eine Feier in vier Teilen entstanden, die ursprünglich vom Eindunkeln der Nacht bis zum Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen dauerte, heute indessen auf einen Abend- oder Nachtgottesdienst oder auf eine frühmorgendliche Osterfeier verdichtet ist. Vor Ort muss mit Rücksicht auf die (auch älteren) Teilnehmenden nicht jedes einzelne Element der Liturgie berücksichtigt werden.

Lichtfeier

Begonnen wird ausserhalb des Kirchenraums mit einer Lichtfeier am Osterfeuer. Die Osterkerze wird mit einem Kreuz bezeichnet, dem ersten und letzten Buchstaben des griechischen Alphabets (Alpha und Omega), und mit der jeweiligen Jahreszahl. Oft werden in das Kreuz fünf Weihrauchkörner oder «Nägel» als Symbole für die fünf Wunden des Gekreuzigten eingefügt. Diese erinnern an Jesu heilbringende Wunden bei der Kreuzigung. Ein Diakon oder Priester trägt die Osterkerze in die dunkle Kirche und singt dabei an drei verschiedenen Orten in unterschiedlicher Tonhöhe: «Christus, das Licht» (Lumen Christi), worauf alle antworten «Dank sei Gott» (Deo gratias). Das Licht wird sukzessive weitergegeben an alle im Kirchenraum. Dann wird die Osterkerze auf den Leuchter gestellt. Das Osterlob (Exsultet) ertönt als Lobpreis auf den österlichen Christus, der im Licht der Osterkerze gegenwärtig ist: «Frohlocket ihr Chöre … lobsinge du Erde … Dies ist die Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe als Sieger emporstieg!» Er wird wiederkehren als Morgenstern, um die Glaubenden heimzuholen. Ostern verweist hier bereits auf das ewige Leben, das den Gläubigen verheissen ist. Ein Bogen durch die ganze Zeit wird geschlagen.

Der anschliessende Wortgottesdienst verkündet in drei (bis sieben) kapitalen Lesungen die Grosstaten Gottes in der Heilsgeschichte, jeweils gefolgt von einem Antwortpsalm und einem Gebet. Die Schöpfungserzählung (Genesis 1,1–2,2) bezeugt den religiösen Ursprung der Welt und des Menschengeschlechts in Gott, Schöpfer und Geber des Lebens. In einem zweiten Text (Genesis 22, 1–18) stellt Gott Abraham auf die Probe mit der Opferung seines Sohnes Isaak. Die dritte Lesung (Exodus 14,1–15,1) zeigt Gottes Befreiung des Volks Israel aus der Knechtschaft Ägyptens durch das grausame Ertrinken der nachrückenden Ägypter, die mit Ross und Reiter im Meer untergehen. Im Antwortgesang erklingt das bekannte Lied der Befreiung am Schilfmeer. Vom Bund Gottes mit dem Volk Israel nach der grossen Flut spricht im vierten Text (Jesaja 54, 5–14) der Prophet Jesaja und derselbe im fünften Text (Jesaja 55, 1–11) vom unendlichen Erbarmen Gottes. Seine Gebote, die Leben schenken, sind auch Thema des sechsten Textes aus dem Buch Baruch (3,9–4,4). Die siebte Lesung ist dem Buch des Propheten Ezechiel (Ezechiel 36, 16–17, 28) entnommen, wonach Gott ein neues Herz und einen neuen Geist gibt, der das verhärtete Herz aus Stein ersetzt. Nun endlich erklingt wieder das Gloria, das die gesamte Fastenzeit unterblieb. Alle Glocken stimmen in den Osterjubel ein bis hin zu den kleinen Glöckchen der Ministrierenden.

 

Tauffeier und Eucharistie

Im dritten Teil der Osternachtliturgie können Taufbewerbende getauft werden. Für alle geschieht ein Gedenken an die eigene Taufe, beginnend mit dem erstrangigen Tauftext des Apostels Paulus im Römerbrief (Römer 6,3b–11). Die Taufe ist ein spirituelles Anteilgeben am Sterben Jesu Christi und an seiner Auferstehung, symbolisch dargestellt im Eintauchen in die Fluten des Wassers und im Emporkommen aus dem Wasser. Das feierliche Osterhalleluja ist im Grund ein tiefempfundenes Dankeschön an Gott für das neue Leben in Jesus Christus. Es folgt der Ostererzählung von Maria Magdalena am leeren Grab nach dem Evangelisten Matthäus (28,1–10), der durch den Engel die Botschaft verkündet: «Fürchtet euch nicht! Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten … Er ist auferstanden.» Die Taufgelübdeerneuerung wird eingeleitet durch die Allerheiligenlitanei, welche die Gläubigen mit der Gemeinschaft der Heiligen verbindet. Die ausführliche Taufwassersegnung wird vertieft durch ein dreifaches Eintauchen der Taufkerze ins Taufwasser, was wiederum Sterben und Auferstehen abbildet. Die Erneuerung des Taufversprechens geschieht durch das dreifache Absagen an das Böse in allen Formen (Ich widersage) und das dreifache Bekenntnis zu dem dreifaltigen Gott (Ich glaube). Nun besprengt der Zelebrant bestätigend das ganze Volk Gottes mit Weihwasser.

Als vierter Teil folgt die danksagende Feier der Eucharistie mit der grossen Osterpräfation in den Worten: In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Vater, immer und überall zu danken, diese Nacht aber aufs Höchste zu feiern, denn du hast durch Jesu Christi Tod und Auferstehung das Leben neu geschaffen. Von diesem Grundgedanken sollte die (fremd gewordene) Opfersprache nicht ablenken, wonach Christus «als Lamm geopfert» wurde. Diese Hingabe Christi (wiederum als «Opferung» interpretiert) befreit die Gläubigen von der alten Herrschaft der Sünde und verleiht das neue Leben im Zeichen der Auferstehung. Die Kommunion, die unter beiden Gestalten angeboten werden kann, schenkt geheimnisvoll Anteil an der Osterwirklichkeit mit dem auferstandenen Christus. Der Gottesdienst schliesst mit dem Segen: Die «Nacht der Nächte», ist erhellt durch die lichtbringende Auferstehung Christi, welche die Gläubigen alle Tage des Lebens mit der Osterfreude begleiten möge. Die Osternachtliturgie endet mit: «Gehet hin in Frieden, Halleluja, Halleluja.» Eine Agape der Gemeinde kann sich sinnvollerweise anschliessen.