Für früh- und totgeborene Kinder hat sich eine neue Sensibilität entwickelt. In Kriens und Sarnen sind deshalb Gedenk- und Begräbnisstätten für Sternenkinder entstanden. Am 15. August wurde eine weitere in Sachseln eingeweiht. 

Stephan Leimgruber 

Etwas über 15 Prozent der Kinder werden nicht lebend geboren. Sie sterben Monate oder Tage vor der Geburt. Dies bedeutet in aller Regel ein starkes Schmerzerlebnis für die Eltern, insbesondere für die Mütter. Denn mit der Wahrnehmung der Herzschläge und später der Bewegungen im Bauch baut sich eine Beziehung zwischen Mutter und Kind auf, die den Verlust schwerwiegend macht. 

«Sternenkinder» ist eine neue Bezeichnung im 21. Jahrhundert für zu früh oder totgeborene Kinder, die symbolischerweise von den Engeln zu den Sternen geführt werden. Für gläubige Eltern werden sie in der Liebe Gottes geborgen. Die Bezeichnung «Sternenkinder» wird auch für Kinder verwendet, die während oder kurz nach der Geburt sterben, ein leidvoller Vorgang, der niemanden unberührt lässt. Mit diesem neuen Namen «Sternenkinder» wird der Akzent auf das Kind selbst gelenkt und nicht mehr abstrakt von einer Totgeburt oder einer Fehlgeburt gesprochen. Sternenkinder haben jüngst vermehrte Aufmerksamkeit erlangt, weil die Mütter und Eltern einen Ort der Trauer brauchen, um den schwerwiegenden Verlust eines Kindes innerlich zu verkraften, aufzuarbeiten und anzunehmen. Es geht um den Verlust einer Beziehung zu einem Menschen im Werden und in der Entwicklung. Wonach Ausschau gehalten wird, das sind Orte des Gedenkens und des Trauerns, an denen Sternenkinder ins Gedächtnis eingeschrieben werden. Hier erhalten die Betroffenen einen Raum, an dem sie das verstorbene Kind fest ins Herz aufnehmen können. Es sind also Orte, an denen Mütter, Väter, Geschwister und weitere Angehörige und Bekannte trauern und Trost finden. 

In früheren Zeiten war der Umgang mit vorgeburtlich verstorbenen Kindern tabuisiert. Es galt als unschicklich, von Totgeburten zu reden. Man vermutete, Frauen würden traumatisiert, wenn sie ein früh verstorbenes Kind sähen oder es gar berührten. Heute kommt die Problematik hinzu, dass es Fälle gab oder gibt, in denen Föten pharmazeutischen Forschungszwecken zugeführt oder einfach im Klinikmüll entsorgt werden. Vor allem haben Eltern kaum Gelegenheit, sich von den verstorbenen Kindern zu verabschieden. Heute spielt das Abschiednehmen von einem Sternenkind zu Recht eine grosse Rolle im Aufarbeitungsprozess eines solchen schwerwiegenden Ereignisses. Die Trauerarbeit ist lebensbedeutsam geworden. Es werden Trauerrituale geschaffen und Gebete formuliert, die den Betroffenen helfen, den Verlust ihres Kindes aufzuarbeiten. In der Regel ist die Trauer gross, und es braucht Zeit und Kraft, ein solches Ereignis einzuordnen.  

Der Künstler Alois Spichtig (1927–2014) hat sich bereits um die Jahrhundertwende Gedanken gemacht über die Gestaltung des Kinderfriedhofs bei der Pfarrkirche Sachseln. Auf dem einstigen Platz mit weissen Kreuzen der Pfarrei und des Wallfahrtsorts Sachseln sollten die Sternenkinder eine zeitgemäss gestaltete Begräbnis- und Gedenkstätte erhalten. Hierbei darf diese Gedenkstätte von der Inspiration des heiligen Bruder Klaus (1417–1487) erfüllt und beseelt sein. Der Künstler plante eine weisse Stele, in der ein Stern die Strahlen der aufgehenden Sonne an bestimmten Tagen durchlässt. Im Hintergrund steht eine Vision des Bruder Klaus von einem Stern, die sogenannte «vorgeburtliche Vision», über die es heisst: «Ehe er geboren war, habe er im Mutterleib einen Stern am Himmel gesehen, der die ganze Welt durchschien. Seit er im Ranft wohne, habe er stetsfort einen Stern am Himmel gesehen, der ihm gleich wäre, sodass er sicher glaube, er möchte es sein.» 

Toni Halter, freischaffender Künstler und Bildhauer in Sachseln, erhielt den Auftrag, die Idee von Alois Spichtig zu verwirklichen, zu gestalten und in Stein umzusetzen. Nach eingehenden Überlegungen schuf er aus Marmor eine Stele mit einem Stern und platzierte sie in der Nähe der Bronzeplastik von Rolf Brems «Abschied des Bruder Klaus von Dorothea und seiner Familie». Der Stern erinnert an die Vision des heiligen Bruder Klaus, wonach ein Stern die Welt erhellt. Am Sonntag, den 15. August 2022, am Festtag der Aufnahme Mariens in den Himmel, wurde die neue Gedenkstätte feierlich eingeweiht unter Teilnahme der Gläubigen.