Die weltweite Entwicklungsarbeit kommt da an, wo sie benötigt wird. Die Zahlen der Welthungerhilfe zeigen, dass der Welthunger langfristig gesehen rückläufig ist. Ein Ende des weltweiten Hungers ist realisierbar – doch der Weg noch immer lang.
Flavia Müller
Vor 200 Jahren lebten fast neun von zehn Menschen auf der Welt in absoluter Armut – heute ist es noch einer von zehn. Die Entwicklung ist positiv und macht Mut und Hoffnung. Hoffnung, dass auch dieses letzte Prozent in absehbarer Zeit eliminiert werden kann. Natürlich ist noch immer nicht alles gut und es gibt nach wie vor viel zu viele Menschen auf dieser Welt, die Hunger leiden – während andere im Überfluss schwelgen und sich täglich darum sorgen «müssen», welche Luxusuhr zu welchem Kleid getragen wird oder ob man sich ein Boot oder einen Privatjet anschaffen sollte. Während dieses Extrem, die Kluft zwischen Arm und Reich, grösser wird, hat die Welthungerhilfe doch einige Erfolge vorzuweisen seit ihrer Gründung vor 50 Jahren. So ist seither die Kindersterblichkeit in Entwicklungsländern von über 20 Prozent auf unter 5 Prozent gesunken. Ebenfalls hat der Welthunger-Index der Welthungerhilfe in allen untersuchten Ländern in den letzten 15 Jahren einen Rückgang des Hungers aufgezeigt, in Afrika zum Beispiel im Schnitt um fast 30 Prozent.
Messbare Erfolge
Seit über 25 Jahren gibt es fünf zentrale Kriterien, an denen sich auch die Welthungerhilfe orientiert und die bei der Vergleichbarkeit verschiedener Programme helfen: zum Beispiel Relevanz (Tun wir das Richtige?), Effizienz (Werden die Ziele wirtschaftlich erreicht?) oder Nachhaltigkeit (Sind die Wirkungen von Dauer?). Positive Effekte zeigen sich deshalb oft erst nach Jahren. So werden Erfolge vor allem bei Betrachtung grösserer Zeiträume sichtbar. Der weltweite Hunger, repräsentiert durch einen Welthunger-Index-Wert von 18,3, liegt für 2023 in der Kategorie «mässig». Gegenüber dem Wert von 2015 (19,1) ist er leicht gesunken.
Die Auswirkungen des Klimawandels und die Folgen der Coronapandemie, Russlands Krieg gegen die Ukraine, zahlreiche Konflikte wie in Israel und die schwache Konjunktur haben die positive Entwicklung gebremst, in einigen Ländern kurzfristig sogar wieder umgekehrt.
Im Vergleich zu den Zahlen vor dem Jahr 2000 aber hat sich der Wert weltweit stark reduziert, in einigen Regionen mehr als halbiert.
Sowohl in Südasien als auch in Afrika südlich der Sahara ist die Hungerlage aktuell allerdings weiterhin sehr ernst. Fast einer dreiviertel Milliarde Menschen wird ihr Recht auf angemessene Nahrung verwehrt. Prognosen zufolge wird das zweite UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDGs), «Kein Hunger bis 2030», dort kaum mehr zu erreichen sein. Das Recht auf angemessene Nahrung ist aber ein Menschenrecht. Die Staaten der Welt stehen völkerrechtlich in der Pflicht, die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Denn die globalen Ernährungssysteme sind veraltet, nicht nachhaltig, sondern instabil und lassen oft Inklusivität und Gerechtigkeit vermissen.
Die langfristigen Zahlen zeigen aber, dass Entwicklungsarbeit wie die der Welthungerhilfe viel bewirkt. Sich auf den bisherigen Erfolgen auszuruhen wäre hingegen fatal. Denn Hunger ist noch immer ein akutes Problem, das mit höchster Dringlichkeit eliminiert werden muss.
Nothilfemassnahmen und Programme der Entwicklungszusammenarbeit sind kein Ausdruck von Wohltätigkeit. Jeder Staat ist verpflichtet, die notwendigen Rahmenbedingungen für eine Welt ohne Hunger zu schaffen. Nicht nur ärmere Länder des Globalen Südens – auch die Industriestaaten der Westlichen Welt tragen Verantwortung.