Kürzlich war ich eingeladen, bei einem Anlass «etwas» zu sagen zum Thema Zeit, Freizeit, Arbeitsdruck, Termine, Hektik – und im Gegensatz dazu sozusagen ein Lob der Faulheit zu singen und: Wie bekommt man das alles unter einen Hut in einem Frauenkloster?

Freundlicherweise wurde mir bei dieser Anfrage auch gleich die zur Verfügung stehende Redezeit mitgeteilt: zehn Minuten.

Ingrid Grave

 

Ich begann nachzudenken über das, was wir im Kloster den ganzen Tag tun und wie wir es tun. Zunächst: Faulenzen im Kloster, das geht gar nicht! Der Begriff Faulheit ist negativ besetzt. Doch mir scheint, es gibt auch ein Nichtstun, das man als produktives Faulenzen betrachten könnte.

 

Die moderne Zeit hat auch in den Klöstern ihren Einzug gehalten. Man erwartet von uns, dass die Klöster mit Computern ausgerüstet sind – mit allem, was dazugehört, und dass wir jederzeit irgendwie erreichbar sind, auf Anfragen verschiedenster Art rasch reagieren und vieles mehr. Der Hektik sind Tür und Tor geöffnet.

 

Und doch: Eines haben wir vielen Menschen unserer Zeit voraus. Unser Tag ist klar strukturiert. Trotz Termindruck gibt es bei uns fest eingeplante gemeinsame Gebetszeiten. Trotz aller Zeitknappheit und vielfältiger Veränderungen im Tagesablauf, entgegen allen Anpassungen an den modernen Arbeitsalltag, sind wir konservativ geblieben in Bezug auf festgelegte Zeiten des gemeinsamen Betens. Wer leistet sich heute diese Verschwendung von kostbarer Zeit? Zeit ist Geld!

 

Ganz ohne Geld geht es bei uns ja auch nicht. Der Verbrauch von Geld ist für mich persönlich durch eine gemeinsame Kasse festgelegt. Das bewahrt mich vor einem rastlosen Streben nach dem Mehr so vieler Dinge. Andererseits stellt diese Einrichtung für die einzelne Schwester so etwas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen dar, das sie vor Armut bewahren wird. Damit entfällt die aufwendige Beschäftigung mit einem Privatvermögen. So gewinne ich Zeit, die am Morgen und am Abend eingebunden ist in das gemeinsame Beten, welches mir erlaubt, mich innerlich einzufinden vor Gott.

 

Nun gibt es ja auch noch die persönliche Zeit, die ich brauche, um zu mir zu kommen; die Zeit des ungestörten Sitzens auf einer Kirchen- oder Gartenbank; die wache Zeit eines absichtslosen Daseins, das sich wie von selbst erfüllt – zur erfüllten Zeit wird. Kaum jemand hat das Kostbare solcher Zeiten besser ins Wort gebracht als der um 1300 lebende Mystiker Meister Eckhart: Dein Empfangen ist dein höchstes Schaffen.