Die Erstkommunion findet wieder im üblichen Rahmen statt, obwohl die Pandemie noch nicht besiegt ist. Am Gottesdienst können mehr als nur die Eltern teilnehmen, manche Pfarreien reservieren pro Kind zehn Plätze in der Kirche. Das ist eine neue Chance.

von Stephan Leimgruber

Die Kinder freuen sich zu Recht auf den wichtigen Tag in ihrem Leben. Nicht nur wegen der weissen einheitlichen Kleider, die nicht zwischen arm und reich unterscheiden lassen. Nicht nur wegen der Dorfmusik, die vielerorts beim Einzug mitmarschiert und am Schluss ein kleines Ständchen auf dem Kirchenplatz gibt. Nicht nur wegen eines feinen Essens und allfälliger Geschenke.

Nachdem zwei Jahre mit Unsicherheiten gekämpft wurde und die Angst vor Coronainfektionen allgegenwärtig war, ist heuer vermehrt Ruhe in die Planung und Durchführung der Erstkommunion eingezogen. Es gibt feste, unverrückbare Termine der Katechese, des Liederübens, der Stellproben und der begleitenden Elternbildung. Viele sind sich stärker bewusst geworden, um was es eigentlich geht. In mehreren Pfarreien und Pastoralräumen hat man von der Erfahrung gelernt, dass in kleineren Gruppen ein intensiveres Erstkommunionserlebnis möglich wird, als wenn die Kirche aus allen Nähten platzt. Während der Pandemie mussten viele abgewiesen werden, die gerne teilgenommen hätten. Doch dann gab es Erstkommuniongottesdienste in kleineren Gruppen, die vielfach ganz gut aufgenommen wurden. Man hat auf störendes Fotografieren und auf laute Musik verzichtet, um die Begegnung mit

Jesus Christus vermehrt in den Vordergrund zu stellen. Die Aufregung bei den Kindern hat sich verringert. Nun haben viele begriffen, dass nicht das äussere Gepränge, die Geschenke und die Dekoration im Zentrum stehen, sondern jene Person, die mit den Jüngern Mahl gefeiert hat, nämlich Jesus Christus selbst. Die Geschichten mit Jesus haben neues Gewicht erlangt: seine Einkehr bei Zachäus, der auf einen Baum gestiegen ist und bei dem Jesus unbedingt einkehren wollte. Es wird neu nachgedacht über die Bedeutung der Einsetzungsworte Jesu «Das ist mein Leib», die besagen, dass Jesus Christus im Geiste mitten unter den Feiernden gegenwärtig ist und sich ihnen je neu schenkt. Es wird mit den Kindern besprochen, was die Worte «Das ist mein Blut» bedeuten, die nämlich ein Hinweis darauf sind, dass Jesus sein Leben hingegeben und dass er sein Blut vergossen hat für das Leben der Welt. Es wird die Geschichte der Jünger von Emmaus aufgegriffen, weil dort Jesus die beiden Jünger begleitet hat und gleichzeitig nicht erkannt wird. Den Jüngern wird erst bewusst, wer bei ihnen ist, als dieser Begleiter das Brot bricht und mit ihnen teilt. Eben erst hier erinnern sie sich an das letzte Abendmahl und die damit verbundenen Gesten eines jüdischen Hausvaters. Und ihr Herz hat gebrannt! Sie waren emotional angesprochen von diesem ungewöhnlichen Ereignis.

Neu hat die Unterbrechung durch Corona die Erkenntnis gebracht, wie wichtig es ist, dass die Feiergemeinschaft die liturgische Sprache lernt und miteinander spricht. Das gemeinsam gesprochene Vaterunser verbindet die Kinder und ihre Eltern zu einer Gemeinschaft des Glaubens. Das Mitbeten der liturgischen Antworten trägt dazu bei, dass Gemeinschaft erlebt wird. Und die biblischen Anhaltspunkte etwa des Gebets «O Herr, ich bin nicht würdig» führen zum römischen Hauptmann zurück, der um sein Töchterchen in Not bangt und Jesus um Hilfe bittet.

Ein nachhaltiges Fest?

Nun, 2022 kann die Erstkommunion wieder besser weitergeführt und nachhaltig wirksam werden, etwa, wenn ein Dankgottesdienst das Geschehen vertieft und ein «Dankesreisli» nach Einsiedeln zur schwarzen Madonna oder nach Sachseln zu Bruder Klaus führt und nach der Erstkommunion weitere Kommunionen (zum Beispiel am

Fronleichnam) hinzugefügt werden. Die Erstkommunion darf nicht die Letztkommunion sein. Sie ist vielmehr die erste intensive Begegnung mit Christus unter der Gestalt des Brotes, der weitere folgen sollen. Die Beziehung mit Jesus Christus kann so intensiviert und fortgeführt werden. Dazu trägt auch die aktive Teilnahme am Gottesdienst bei, etwa dadurch, dass die Kinder Fürbitten oder eine Lesung vortragen, dass sie bei der Gabenbereitung mithelfen dürfen, dass sie die Gäste aus nah und fern begrüssen oder ein Erlebnis aus der Vorbereitung in den Gottesdienst einbringen. Wichtig ist nicht zuletzt die Vorbereitung zu Hause in den Familien: das gemeinsame Beten und Sprechen über das wichtige Ereignis, das Lesen und Betrachten der Bibel und das bewusste Essen des Brots am Tisch. Wir können nicht mit gutem Gewissen Eucharistie feiern, solange andere Kinder hungern müssen oder auf der Flucht gar kein Brot haben. Schön ist es, wenn nach der Erstkommunion Kinder bereit werden für den Ministrantendienst und wenn sie von ihren Eltern und Erziehungsverantwortlichen darin unterstützt werden.

Bohrende Fragen bleiben
Es darf nicht verheimlicht werden, dass sich viele Seelsorgerinnen und Seelsorger anlässlich der Erstkommunion ernsthafte Fragen stellen. Haben die grosse Vorbereitung und die Mühen der Katechetinnen, Religionspädagoginnen und der Sakristane einen Sinn? Lohnt sie sich überhaupt? Wenn in Betracht gezogen wird, dass der grössere Teil der Kinder zwar das Fest positiv erfährt, aber diese Erfahrung nicht oder nur leise fortführt. Weshalb gelingt es nur da und dort, Kinder weiterhin im Gottesdienst begrüssen zu dürfen? Wie kommt es, dass für viele das Fussballtraining weit wichtiger ist als jede Form der Religion? Und die Pandemie hat diesen Trend noch unterstützt, weil einige gelernt haben, den Sonntagmorgen ganz für sich passend zu gestalten ohne Feier in der Kirche. Einige haben Fernsehgottesdienste entdeckt und würdig gefeiert. Andere leben gut ohne Gottesdienst! Sie tun sogar Gutes, ohne auf den Grund der Erstkommunion rückzublenden. Es soll ruhig gefragt werden, wie die Zukunft der Kirche in der Schweiz aussieht, wenn das grosse Fest am Sonntag nach Ostern verklungen ist. Wir sind in die Entscheidung gerufen, wie behutsam und achtsam wir mit diesem Fest umgehen und welche Schwerpunkte die Erwachsenen im Leben der Kinder setzen möchten. Welche Verantwortung wollen sie für eine

ganzheitliche, kindgerechte und zukunftsfähige Kindererziehung wahrnehmen? Es steht viel auf dem Spiel. Der Glaube kann gerade in Zeiten wie heute eine starke Stütze und Lebenshilfe sein. Er gibt Orientierung und stiftet Sinn. So führt die Erstkommunion letztlich zu der Frage: Wo stehe ich ganz persönlich und wie sehe ich die Zukunft unserer Kinder?