Die Theologische Hochschule Chur zeichnet sich immer wieder durch Impulse für die Kirche in der ganzen Schweiz aus. Wie ein Fels steht sie in der Brandung des Meeres. Seit dem Herbstsemester 2022 hat sie einen neuen Pastoraltheologen mit dem Schwerpunkt Gesundheits- und Pflegewissenschaften. Dank des neuen Bischofs Josef Maria Bonnemain entwickelt sich im Bistum eine neue positive Atmosphäre, die auch der Hochschule Auftrieb gibt. 

Stephan Leimgruber 

Am 29. September 2022 konnte die Vizerektorin Eva-Maria Faber in der gut besetzten Aula hoch über der Stadt Chur Franziskus Knoll zur Antrittsvorlesung begrüssen. Der aus dem nahen Bad Säckingen stammende Dominikaner-Priester hat mehrere Jahre in der Spitalpflege gearbeitet, dann Pflegepädagogik und Theologie studiert und in Gesundheits- und Pflegewissenschaften promoviert mit einer Dissertation bei (der anwesenden) Professorin Doris Nauer «Zum Stellenwert der Spiritualität in der Pflege». Der neue Professor für Pastoraltheologie und Homiletik (Predigtlehre) im weissen Ordensgewand kam nicht allwissend daher, um die Kirche Schweiz mit deutscher Weisheit zu belehren, sondern arbeitete sich am Selbstverständnis der Kirche und ihrer diakonischen Grundaufgabe ab. Nachdem die Theologieprofessorin Faber bereits eingangs den Bezug zu Papst Franziskus hergestellt hatte, griff Knoll die eindrückliche Kirchenvorstellung eines «Feldlazaretts nach der Schlacht» auf. Die Beulen der Menschen an den Rändern der Gesellschaft gelte es aufzuspüren und zu heilen. So solle Kirche heute Verantwortung für die Heilung der gebeutelten Gesamtgesellschaft übernehmen. Eine zukunftsfähige Pastoral müsse Diakonie als Kernkompetenz ausbauen und sich im selbstlosen Dienst an den Geschundenen bewähren. Engagiert werde sie Belehrung durch Sensibilität ersetzen. Mit Rückgriff auf die Pastoralkonstitution «Gaudium et spes» und mit stetem Bezug auf Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, lasse sich die Seelsorge auf die Menschen und insbesondere auf Arme ein und riskiere gar Wunden und Narben am eigenen Leib: Sie wirke auf Augenhöhe mit allen durch ihre Taten, Worte, Gebete bis hin zu den Sakramenten als Zeichen der heilenden Nähe Gottes. So würden in der Pastoral jene Kompetenzen gefördert, die Kommunikation, interdisziplinären Austausch und ökumenische Weite voranbringen. In dieser Weise könne Christsein im 21. Jahrhundert ein stimmiges, nicht aufdringliches Gesicht erhalten und den Menschen ein Leben in Fülle ermöglichen.  

Franziskus Knoll ist zutiefst überzeugt von der Chance einer diakonischen und dialogischen Kirche, die in Kooperation mit anderen Instanzen tritt. Seine Herkunft aus der Pflegepraxis und die spirituelle Beseelung der Lehr- und Forschungstätigkeit des neuen Pastoraltheologen werden ein Gewinn sein. 

Das bereits über 200 Jahre alte Theologische Studium am Priesterseminar St. Luzius, Chur (seit 1803) wurde 1968 vom Apostolischen Stuhl eingerichtet, 1974 mit dem Recht auf Gradverleihung (Diplom und Lizentiat) ausgestattet, das der Kanton Graubünden seit 1976 anerkennt. 2003 kam das Promotionsrecht hinzu. Das Kollegium der Professorinnen und Professoren einigte sich 2003 auf den Schwerpunkt an dieser theologischen Hochschule mit einem Institut für Pastoral, Homiletik und Religionspädagogik, also im Bereich der Praktischen Seelsorge. Neues Gewicht erhalten folglich die Ausbildung zur Spitalseelsorge, ethische Fragen bei Anfang und Ende des Lebens und nicht zuletzt die Fortbildung der Seelsorgerinnen und Seelsorger. Die Hochschule ist bereits zur Konzilszeit durch eine Reihe weitblickender Persönlichkeiten hervorgetreten, wie etwa Franz Böckle (1921–1991), Johannes Feiner (1909–1985) und weitere. Das aktuell aus sieben Professorinnen und Professoren bestehende Kollegium (bei zwei Vakanzen) mit zahlreichen Lehraufträgen und Praktika zeichnet sich immer wieder durch bedeutsame Tagungen, wichtige Publikationen und aktuelle Weiterbildungen aus. Es ist international vernetzt und arbeitet eng mit der Lehrerbildung im Kanton Graubünden zusammen. Eva-Maria Faber hat jüngst die wissenschaftliche Monografie «Der philosophisch-theologische Weg von Erich Przywara» vorgelegt und die bei Herder erscheinende Forschungsreihe hat Band 41 «Plagen-Seuchen-Pandemien» in Kooperation mit der Theologischen Fakultät Luzern herausgegeben. 

Der Aufwind in der Theologischen Hochschule wird durch Grosskanzler (Magnus Cancellarius) Bischof Dr. Josef Maria Bonnemain unterstützt und verstärkt. Anstelle einer lähmenden Retrospektive ist es ihm gelungen, ein neues Klima des Vertrauens und der Zuverlässigkeit zu schaffen, was sich nicht zuletzt auf den kirchlichen, katechetischen und ordenseigenen Nachwuchs auswirken dürfte. Neu ins Gespräch kommt die Frage nach einem interdiözesanen Seminar und einer gemeinsamen spirituellen Ausbildung für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im deutschsprachigen Raum mit Standort in Chur. Wäre es nicht an der Zeit, Priesterkandidaten, künftige Seelsorgende, Frauen und Männer, in einer gemeinsamen geistlichen Ausbildungsstätte für die Bistümer Basel, St. Gallen, Deutsch-Freiburg und Chur zusammenzuführen, um den wachsenden Anforderungen standzuhalten? Die Zusammenarbeit der Ortskirchen in der Schweiz in Bezug auf Ausbildung stünde der katholischen Schweiz in einer zunehmend individualisierten unübersichtlichen Welt gut an.