Giordano Bruno: Der Dominikanermönch stellte einem armseligen Materialismus die Vision vom beseelten Kosmos entgegen. Er wurde am 17. Februar 1600 in Rom auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.

Christian Feldmann

 

Seit seinem entsetzlichen Flammentod vor mehr als 400 Jahren gilt Giordano Bruno als Märtyrer der Geistesfreiheit. Der Mönch Bruno, Symbol des Triumphs der Macht über die Argumente. Mit seinen Ideen aber stand er immer im Schatten der anderen grossen Forscher seiner Epoche, Kopernikus, Galilei. Moderne Naturwissenschaftler ignorieren ihn komplett – obwohl oder weil er ein Visionär gewesen ist. Ein Pionier ganzheitlichen Denkens, der den ganzen Kosmos im Blick hatte und Mensch und Weltall, Gott und Natur, Leib und Seele als Einheit verstand, während seine Physikerkollegen die Schöpfung in mathematische Formeln zu zwängen suchten. Der Dominikanermönch Giordano stammte aus Nola bei Neapel. Seine unbefangene Freude an allen interessanten Gedanken brachte ihn bald in Konflikt mit seinen Ordensoberen. Kaum zum Priester geweiht, wurde er der Ketzerei bezichtigt und floh durch halb Europa. Schliesslich denunzierte ihn ein Adeliger bei der Inquisition. Sieben Jahre dauerte der Prozess. Verhöre, Fragebögen, endlose Debatten über Dogmen und philosophische Begriffe. Brunos Pionierleistungen spielten keine Rolle: Noch vor Kepler fand er heraus, dass die Planeten in einer Ellipsenbahn um die Sonne kreisen. Noch vor Galilei erkannte er die Drehung der Sonne um ihre eigene Achse.

Zum Verhängnis wurde ihm sein Beharren auf der Freiheit des Denkens und Forschens an den damals herrschenden Meinungsmachern vorbei. Bruno betrachtet die Schöpfung als natura naturans, als sich selbst erschaffende Natur. Der Kosmos ist für ihn kein fertiges, nach berechenbaren Gesetzen funktionierendes Gebilde, sondern ein Organismus, von einer göttlichen Seele durchwaltet.

Und dieses All – das ist sein zweiter Grundgedanke – ist unendlich, grenzenlos, von Millionen Planeten und Sonnen bevölkert. Für Bruno gibt es «zahllose dieser Welt ähnliche Weltkörper, von denen der eine nicht mehr die Mitte des Universums ist als der andere». Das heisst, der Kosmos hat keine Grenze, im unendlichen All gibt es unzählige Sonnensysteme wie das unsere. Bruno setzt das Bild des Organismus gegen eine sture Himmelsmechanik, die alles berechnen will und nicht mehr bereit ist, sich überraschen zu lassen. Doch wenn der Kosmos wirklich ein sich ständig verändernder, sich dauernd neu schaffender Organismus ist, fragten die Inquisitoren entsetzt, wo bleibt dann der Schöpfergott? Wenn es unzählige Welten gibt wie die unsere und wenn dort ebenfalls Lebewesen wohnen, wozu hat Gott sich dann so für dieses unbedeutende Sternchen namens Erde engagiert? Wozu ist er in Christus Mensch geworden und am Kreuz gestorben? Wenn das Universum unendliche, höchste Realität ist, ist es dann nicht Gott?

Bruno erklärte, zum Widerruf sei er nur bereit, wenn man ihm beweise, dass er gegen gesicherte Lehren der christlichen Frühzeit verstossen habe. Damit stellte er die Autorität des gegenwärtigen Kirchenregiments infrage. Der Angeklagte wurde dem weltlichen Gericht übergeben, das ihn wunschgemäss zum Tod verurteilte. Am 17. Februar 1600 verbrannte man Giordano Bruno auf dem Campo de‘ Fiori in Rom.

Ein tragisches Ende – denn das kirchliche Lehramt und der Ketzer hätten sich in einem wichtigen Anliegen treffen können: Sein Leben lang kämpfte Bruno gegen einen armseligen, mechanischen Materialismus, der alles berechnen, alles beherrschen, alles den menschlichen Bedürfnissen unterwerfen will. Diesem Götzendienst hielt er den Respekt vor einem beseelten, unendlichen Kosmos entgegen. Mut zur Tiefendimension statt einer oberflächlichen Betrachtungsweise, die alles mit den Massstäben der Erde misst. Wer sich von Bruno an der Hand nehmen lässt, wird in der Natur immer mehr sehen als ein beliebig auszubeutendes Rohstoffreservoir. Im System des «Ketzers» hatte Gott durchaus seinen Platz: als «innerer Künstler» der Welt, der sie dauerhaft beseelt und am Leben hält. Mit Brunos eigenen Worten gesagt: «Die Natur ist die Hand und das Werkzeug Gottes.» Und: «Die Natur ist Gott in den Dingen.»